Die anderen Bands der DDR: Feeling B "Wir haben gezeigt, dass man in der DDR unwahrscheinlich viel Spaß haben konnte"
Ab Mitte der 80er verkörperte eine ganze Riege junger, unangepasster Bands mit ihrer Musik das Lebensgefühl der DDR-Jugend und prägten somit den Sound der Wende. Mit dabei: Feeling B. Keyboarder Flake, heute bei Rammstein, erzählt, wie dilletantisch seine Musik früher war, was bei Dorfkonzerten abging und wie er den Mauerfall erlebte.
Feeling B wird heute - auch durch die Verbindung zu Rammstein - gerne als die DDR-Punkband dargestellt. Ist das gerechtfertigt?
Feeling B war eigentlich keine Punkband. Wir haben nirgendwo richtig hineingepasst. Die Punks haben uns nicht akzeptiert weil wir im Prinzip keine Punkmusik gemacht haben. Weil wir von unserem ganzen Leben und Auftritt her nicht kantig genug waren. Und die richtigen Rockbands haben uns auch nicht ernst genommen, weil wir so dilettantisch waren, nicht richtig spielen konnten und mit Absicht unseren Dilettantismus gepflegt und beibehalten haben. Wir waren in der Zeit für niemanden eine ernst zu nehmende Band. Es war ganz schwer uns irgendwo zuzuordnen. Weil wir alle einfach zu schlecht waren. Wir waren eine dilettantische Band. Aber wenn man sagt, Punk ist, wenn einem alles scheißegal ist, wenn man komplett auf die Regeln pfeift und nur macht was man will, dann waren wir eine Punkband. Aber weniger von der Musik. Dass wir heute als DDR-Punkband wahrgenommen werden liegt nur daran, dass wir es als einzige von diesen Bands geschafft haben, bei Amiga zu DDR-Zeiten noch eine LP rauszubringen.
Wie hast du die Undergroundszene der DDR erlebt?
Als Jugendlicher mit 16, 17 habe ich in der DDR vor allem Bluesbands wahrgenommen. Da gab es Freygang. Und deren Sänger André Greiner-Pol war vom Herzen her Punk. Er hat im Prinzip in einer Bluesband Punk gespielt, hatte ein punkiges Auftreten und manche Texte waren auch schon Punk. Später haben wir unser erstes Konzert als Feeling B mit Freygang gespielt. Die haben uns einfach mitgenommen und in der Pause zwischen ihren Blöcken spielen lassen. Obwohl wir damals noch keine Spielerlaubnis hatten. Und niemand hat es gemerkt. Die erste Punkband im Osten ist mir so 1983 aufgefallen. Die hieß Rosa Extra. So hießen in der DDR auch die Damenbinden. Kurz danach kamen Antitrott und Aufruhr zur Liebe dazu. Die hatten alle keine staatliche Einstufung, also auch keine Spielerlaubnis. Das waren echte Punkbands und sie hatten dadurch nichts mit den sogenannten "anderen Bands" zu tun. Die sogenannten anderen Bands waren Gruppen, die eine Einstufung und dadurch eine staatliche Anerkennung bekommen hatten. Und sie waren neben Punk auch von anderen Genres beeinflusst, zum Beispiel von Ska oder New Wave.
Spielte sich die Szene nur in den großen Städten ab oder war auch in der Provinz der Punk los?
Unser Haupteinsatzgebiet war auf dem Dorf. In Ebersbrunn, Lugau, Saalfeld, Lobenstein. In Orten, die man eigentlich nur kennt, weil da ein Dorfsaal ist. Wo der Veranstalter einfach die Bands eingekauft hat, die die Leute auch hören wollten. Und nicht die Bands, die ihm staatlich verschrieben wurden. Da sind Sachen passiert, wovon niemand etwas wusste und niemand etwas ahnte. Da haben verbotene Bands gespielt in dem sie nur ihre Namen geändert haben. Da haben Bands Programme gespielt die absolut verboten waren und die Leute sind gekommen und niemand hat es gemerkt. Die kleinen Dörfer waren nicht so gut zu überwachen und für die Stasi nicht im Blickfeld. Berlin dagegen war Hauptstadt der DDR. Wenn sich da 20 Punks zusammenrotten oder 40 Grufties oder 60 Heavy-Metal-Fans kommt natürlich die Polizei und guckt was da los ist und ist misstrauisch. Die Jugendclubs in Berlin waren natürlich auch viel strenger überwacht. Auf dem Dorf war das noch anders. Wer fährt schon nach Lugau und guckt sich an welche Band da spielt. Das war den staatlichen Behörden auch zu anstrengend.
Kann man behaupten, Feeling B waren privilegiert, weil euer Sänger Aljoscha Rompa in den Westen reisen durfte?
Ja, weil Aljoscha mir dadurch ein Casio-Keyboard holen konnte. So ein kleines Casio-Spielzeuginstrument. Das war mein Haupt-Musikinstrument. Heutzutage würde sich jeder Musiker darüber totlachen. Das war wirklich ein Teil für 200 Mark West aus dem Spielzeugladen. Aber ansonsten hat das im Osten keinen interessiert, dass Aljoscha rüber durfte. Im Gegenteil. Da baute sich eher eine feindliche eine Abwehrhaltung auf.
Welche Bedeutung hatte die Sendung "Parocktikum" für die Szene?
Lutz Schramm, also der Moderator, war der John Peel des Ostens. Er hat als erster Kassetten von Ostbands im Radio gespielt. Das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen!
Wie hast du den Mauerfall erlebt?
Wir waren in der verrückten Lage, dass wir mit Feeling B kurz vor Mauerfall nach West-Berlin und Westdeutschland fahren durften. Wir hatten den Verdacht, dass der Staat dem Westen zeigen wollte, wie cool wir im Osten noch sind, und dass wir uns öffnen. Er hatte ja auch schon West-Stars wie Bruce Springsteen in den Osten geholt. Und wir sind in den Westen geschickt worden. Wir hatten aber einen Stasi-Mitarbeiter mit, der sich als unser Manager ausgegeben hat. Und der hat uns gesagt, ihr könnt auch hier bleiben. Das war ein sehr deutliches Angebot, dass wir im Westen bleiben sollen. Und wir nehmen an, dass wir deshalb rüber durften, damit wir aus dem Osten verschwinden. Aber so kam es, dass wir am Abend des Mauerfalls in Westberlin gespielt haben. Und auf einmal kommen während wir spielen ganz viele Freunde rein. Ein paar waren ja auch schon geflohen über Ungarn und die grüne Grenze. Und viele von unseren Bekannten waren sowieso schon im Westen. Aber an diesem Abend kam dann nochmal mehr. Da hab ich gefragt: "Was ist denn hier los. Was macht ihr denn hier? Seid ihr alle jetzt abgehauen?" Da haben die gesagt: "Nee, die Mauer ist offen." Sag ich: "Kann ja nicht wahr sein." Dann haben wir unsere ganze Gage genommen und Bier geholt für alle Bekannten. Für uns war das eine unfassbare Ehre. Wenn die Mauer aufgeht und alle Leute zum ersten Mal die DDR verlassen können - was machen sie als erstes? Sie gehen zum Feeling B Konzert. Besser kann man die Sympathie nicht ausdrücken. Das hat mich sehr gerührt. Das war dadurch natürlich ein Wahnsinnsabend für uns.
Wie war die Zeit nach dem Mauerfall für Feeling B? War mit dem Ende der DDR auch euer Gegenpol verschwunden?
Wir haben ja nicht direkt gegen die DDR angesungen. Wir haben gegen bestimmte Sachen gesungen die meistens in der Engstirnigkeit und Beklopptheit der Menschen lagen. Und wir hatten ja schon bei unseren ersten Besuchen gesehen, dass im Westen natürlich nichts auch nur ein Deut besser ist. Eher alles viel schlimmer. Da hatte uns Aljoscha schon zu Ostzeiten gewarnt: "Wenn ihr denkt hier sind alle Spießer, dann fahrt mal in den Westen." In der DDR haben wir uns als Punks sauwohl gefühlt. Danach wurde es dann Stück für Stück schlechter. Aber wenn ich sage, dass bei der Wiedervereinigung einiges schief gelaufen ist, ist das ja kein meckern. Dieser rechtsfreie Raum nach der Wende war eine Zeitlang sehr lustig. Man konnte alles machen und keiner wusste, ist das nun erlaubt. Darf man das oder nicht? Das war eine sehr ereignisreiche Zeit und ich bin immer erst spät ins Bett gekommen, um das mal so auszudrücken.
Wie viel DDR steckt in Rammstein?
Sehr, sehr viel. Da wir alle in der DDR sozialisiert wurden, denken wir viel weniger egoistisch. Keiner versucht sich hervorzuheben. Wir streiten uns nicht. Für uns zählt, was das Kollektiv schafft.
Wie schätzt du die Bedeutung Feeling Bs heute ein?
Wir haben gezeigt, dass man in der DDR sehr wohl unwahrscheinlich viel Spaß haben konnte. Wir haben sehr leichte und lockere Musik gemacht. Und damit haben wir ein bisschen Frische reingebracht. Außerdem haben wir von jeder Situation die lustige Seite gesehen, uns darüber gefreut und einen Spaß daraus gemacht. Wir wollten unser ganzes Leben ja so gestalten, dass wir nie schimpfen sondern immer lachen. Das ist uns bis jetzt im Großen und Ganzen gelungen. Und wir haben den Leuten gezeigt, dass man kein Instrument spielen muss, um Musik zu machen. Was aber mehr im Sinne des Punks als der Zeit lag.
Woran erinnerst du dich besonders gerne?
Ich hatte bei manchen Konzerten einfach so ein Gefühl der Freude. Und die Leute haben sich auch gefreut, das war wie bei einer Messe. Eine Veranstaltung außerhalb von Raum und Zeit. Bei einem Feeling-B-Konzert war alles erlaubt und alles war lustig. Da ging die Party bis in die Nacht und es gab keinen Unterschied zwischen Band und Fans. Das war alles eine Masse Jugendlicher die viel Spaß am Leben hatten und das auch genießen konnten.
hr1: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lars Schmidt.
Sendung: hr1 am Samstagmorgen, 9.11.2019, 6-9 Uhr